Welche Wirtschaft braucht die Natur?

Randnotizen eines fiktives Gespräches über Ökonomie und Ökologie

Protagonisten:
TA = Konservativer Opportunist
NP = Realistischer Optimist


TA: "Schon wieder solche Öko-Aussteiger, zur Abwechslung sind's jetzt sogar noch BWLer! Was hat denn Ökonomie mit Ökologie zu tun?"

NP: "Die Lehre von der richtigen Ökonomie ist die Lehre vom guten Haushalten. Unsere heutige Energiepolitik ist mit ihren Umweltbelastungen nicht ökologisch. Da aber bisher diese Umweltzerstörungen nicht einmal im Preis mitberechnet werden, ist sie auch nicht ökonomisch, sondern irrational, zukunftszerstörend und im hohen Maße marktwirtschaftsfeindlich."

TA: "Was heißt das denn praktisch?"

NP: "Die heutigen Energiepreise sind viel zu niedrig. Ziehen wir ihre umweltzerstörende Wirkung in die Preiskalkulation mit ein, so ergäbe sich beispielsweise ein Literpreis für Benzin um ca. DM 6,-"

TA: "6 Mark für einen Liter? Das ist doch total irreal! Autofahren wird dann zu einem Privileg der Besserverdienenden; Benzinpreise müssen sozialverträglich sein!"

NP: "Ist die Klimakatastrophe für unsere Kinder und Enkel denn sozialverträglicher als realistische Benzinpreise?"

TA: "Trotzdem kann eine funktionierende Wirtschaft nicht auf billige und individuelle Mobilität verzichten."

NP: "Im Prinzip ist das richtig, aber der deutsche Bundesbürger nutzt sein Auto im Schnitt maximal nur zu 2,8% aus, d.h. unsere Fahrzeuge sind in Wirklichkeit "Stehzeuge", denn 97,2% ihrer Lebenszeit stehen sie platzverbrauchend am Straßenrand. Überdies bewegen wir uns in Wahrheit mit dem PKW im Durchschnitt gerade noch mit 17 km/h. Unsere Mobilität ist also unökonomisch, da das Auto zwar einen sehr hohen Unterhaltungswert, aber einen zu geringen Beförderungswert hat. Bestünden alle mechanischen Pferdestärken in den westdeutschen Autos aus richtigen Pferden, dann könnte die gesamte Weltbevölkerung darauf reiten."

TA: "Sollen wir also auf jeglichen Individualverkehr und anderen energieintensiven Konsum verzichten? Wie soll denn das gehen?"

NP: "Der Abschied von unserem alten Denken und unserer alten Technologie hat nichts mit Opfer und Askese, wohl aber mit Intelligenz, ökologischer Verantwortung und mit ökonomischer Effizienz zu tun. Ist es denn effizient, eineinhalb Tonnen Auto zu produzieren, um damit 75 kg Mensch zu transportieren? Oder ist es intelligent, das deutsche Schienennetz seit 1950 um 17% zu reduzieren und gleichzeitig den Straßenbau um 40% zu erweitern, obwohl ein LKW 9mal mehr Energie verbraucht und dabei 30mal mehr Schadstoffe als die Bahn erzeugt?
Oder ist es gerecht gegenüber den Dritte Welt Staaten, wenn jeder Deutsche heute etwa soviel Energie verbraucht, wie ein römischer Patrizier, dem 17 Sklaven zur Verfügung standen?

TA: "Diese Zahlenspielereien und moralischen Appelle bringen uns nicht weiter. Fest steht: Es gibt zur Zeit noch keine Alternativen!"

NP: "Natürlich gibt es Alternativen. Beispiel Photovoltaik: Theoretisch bietet uns die Sonne alle acht Minuten soviel Energie an, wie wir in einem Jahr verbrauchen. Sollte ein Land wie die BRD, umstellt von Freunden, das immer noch 50 Milliarden Mark jährlich für seine Verteidigung ausgibt, wirklich unfähig sein, die notwendigen Investitionen für eine sinnvolle Sonnenstrategie aufzubringen? Würde man die heutigen tatsächlichen Stromkosten ansetzen, z.B. unter Einbeziehung realistischer Versicherungsleistungen für Atomkraftanlagen, dann wäre Strom aus Solarzellen um ein Vielfaches billiger.
Beispiel Biomasse: BMW hat errechnet, daß Benzin oder benzinähnliche Stoffe aus Schilfgras pro Liter 1,40 DM kosten. Das ist billiger, als das Benzin heute, nur ohne Schadstoffe. Wenn auf der Hälfte aller bisher stillgelegten Nutzfläche C4-Gräser (z.B. Schilfgras) angebaut würden, dann könnte man dadurch mit Hilfe von Kraft-Wärme-Kopplungen in zehn Jahren alle AKW's in Deutschland ersetzten.
Für Windkraftanlagen und Energiegewinnung aus Wasserkraft gibt es ähnlich beeindruckende Beispiele..."

TA: "Das sind alles Tagträumereien. Unsere Wirtschaft ist leistungsfähig genug und benötigt keine struktur- und arbeitsplatzvernichtenden Umbauten."

NP: "Zunächst: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist. Wir müssen uns nur bewußt machen, daß der gegenwärtige Stand der Entwicklung der Photovoltaik in Kombination mit beispielsweise solarem Wasserstoff etwa der Entwicklung der Eisenbahn in der Mitte des 19.Jahrhunderts entspricht. Zugleich ist Deutschland aber Exportweltmeister mit Produkten, die vorwiegend aus diesem letzten Jahrhundet stammen. Wenn die deutsche Wirtschaft Pionier im solaren Energiemix wird, dann wird sie auch Exportweltmeister der Zukunft mit genug Arbeitsplätzen."

TA: "Alles schön und gut. Was wollen Sie jetzt ändern?"

NP: "Alle technischen, politischen und ökologischen Veränderungen helfen uns nicht viel, wenn wir nicht lernen, anders zu wirtschaften. Wir müssen die Natur als entscheidenden Wirtschaftsfaktor begreifen: Wenn wir längerfristig von den Produkten der Natur leben wollen, dürfen wir die Produktivität der Natur nicht gefährden. In absehbarer Zeit werden nur noch solche Unternehmer erfolgreich sein, die dies beachten."

TA: "Ehrlich gesagt, habe ich lange geglaubt, Umweltschutz wäre in erster Linie eine rein technische Angelegenheit..."

NP: "Einerseits schon, denn 85% der in der gesamten Weltwirtschaft eingesetzten Energie, dient nicht ihrem eigentlichen Zweck, ist also technisch unintelligent aber auch unwirtschaftlich. Die ökologische Revolution steht jetzt an, und der Weg dorthin führt nicht nur durch Labors und Bilanzbücher, sondern auch durch unsere eigene Psyche: Grenzenloses Wachstum, das wir mit unserer heutigen Wirtschaft praktizieren, kennt die Natur nur als Krankheit - das Wuchern von parasitären Krebszellen, die ihren eigenen Wirt langfristig töten. Unser wirtschaftlicher Produktionsprozeß muß umgebaut werden, und dazu benötigen wir eine neue Generation von Wirtschaftswissenschaftlern.
Denn: das Ozonloch entsteht nicht, wir machen es!"

Homepage | Hauptseite | Nächster | Kontext | Kontakt

Copyright © 1999 Markus Lyschik, München