Die bisherigen Betrachtungen sollten folgendes gezeigt haben: Marketing, interpretiert als eine Führungslehre vom Markt her, muß als treibende Kraft innerhalb des Unternehmens unter Ausnutzung seiner Machtstellung in der Gesellschaft das ökologische Verantwortungsdilemma durchbrechen. Dabei orientiert es sich an den Werkzeugen des Öko-Marketings und des Sozio-Marketings sowie den Erkenntnissen des integrativen Managementansatzes und stellt das Individuum in den Mittelpunkt seiner Betrachtung, um den Umbau zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu beschleunigen. Die konzeptionelle Erweiterung will nun die Dimensionen der individuellen, psychischen Mechanismen und Barrieren mit diesen Erkenntnissen verknüpfen, um so die ökologische Divergenz im Konsumentenverhalten zu reduzieren.
3.1. Zielebene
Die Integration des Umweltschutzes in das Zielsystem der Unternehmensphilosophie ist dabei die notwendige Voraussetzung, um im Rahmen einer konzeptionellen Erweiterung, die Erkenntnisse über das divergierende ökologische Konsumentenverhalten berücksichtigen zu können. Will man dabei nochmals den Zusammenhang zwischen Individuum und der Unternehmung als "Persönlichkeit" bemühen, macht es jedoch wenig Sinn, an die Ethik oder die Verantwortung des Unternehmers zu appellieren, da das primäre Unternehmensziel der Existenzsicherung nur mittelbar mit sozialmoralischen Erwägungen in Verbindung gebracht werden kann. Ähnlich wie beim Individuum fruchten also moralische Appelle allein nicht oder nicht in gewünschtem Ausmaß. Das unternehmerische Zielesystem muß demnach auf betriebswirtschaftliche Überlegungen abstellen.
Die Zusammenhänge zwischen ökologischen und ökonomischen Unternehmenszielen sind -kaum verwunderlich- sehr umstritten. Dabei kann man in der betriebswirtschaftlichen Zielforschung zwischen einer Konkurrenz- oder Komplementaritätsbeziehung differenzieren oder der These der Zielneutralität Glauben schenken. Diese bisher existierende Unterteilung ist insbesondere erwähnenswert, da der vielbeschworene Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie empirisch bisher nicht hinreichend bewiesen werden konnte! Eine Reihe von Untersuchungen belegen dagegen die komplementäre Zielbeziehung zwischen ökologischen Zielsetzungen und Markt- bzw. Ertragszielen. Zielgrößen wie beispielsweise "Ressourcenschonung" oder "umweltverträgliche Produkte" korrespondieren ebenso mit quantitativen Größen ("Marktanteil", "Umsatz" und "Gewinn") wie auch mit qualitativen Zielen, z.B. mit "Image", "Erschließung neuer Märkte" und "Mitarbeitermotivation". Nach den Erkenntnissen von MEFFERT/ KIRCHGEORG und RAFFÉE et al. stehen lediglich die Ziele "kurzfristige Gewinnerzielung" und "kurzfristige Kosteneinsparung" in einer konkurrierenden Beziehung zum Umweltschutzziel. Ferner stellen sie übereinstimmend fest, daß sich ökologische und ökonomische Zielsetzungen nicht behindern, sondern sich gegenseitig fördern können, insbesondere im Hinblick auf den langfristigen Unternehmenserfolg!
Auch das oft vorgebrachte Argument, die Berücksichtigung umweltschutzbezogener Belange beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, läßt sich aufgrund von kausalanalytisch festgestellten Komplementaritäten zwischen Ökologie und Ökonomie nicht weiter aufrechterhalten.
Darüber hinaus sprechen noch andere wirtschaftliche Ziele für die Berücksichtigung der ökologischen Komponente im Zielsystem einer Unternehmung:
· Durch aktive Umweltschutzmaßnahmen seitens der Wirtschaft kann der zunehmenden "Regulierungswut" des Gesetzgebers langfristig wirksam begegnet werden. Die anwachsende Gesetzesflut auf nationaler (z.B. UmweltHG, WHG, AbfG, BImSchG), europäischer (z.B. Öko-Auditing) und internationaler Ebene schränkt den unternehmerischen Spielraum ein und verursacht in der Regel zusätzliche Kosten (z.B. durch Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten), dem kein Ertragsposten in der Wertschöpfungskette gegenüber steht.
· Dem Ausweichen von gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Einhaltung von Grenzwerten, Auflagen etc. durch bloße räumliche Standortverschiebung werden immer stärkere Grenzen gesetzt. So drohen allen Verursachern (also auch ausländischen Investoren) von starken Umweltverschmutzungen in der Volksrepublik China bereits die Todesstrafe! Auch in den boomenden Tigerstaaten gewinnt der Umweltschutz durch die starken industriellen Belastungen zunehmend an Bedeutung.
· Viele Versicherer, allen voran der Gerling-Konzern, weigern sich zunehmend das Normalbetriebsrisiko von umweltkritischen Produktionsanlagen international zu versichern. Dabei tritt durch die Umstellung des Versicherungsrechts von Verschuldungshaftung auf Gefährdungshaftung der (in der Regel separat versicherte) Störfall bereits dann ein, wenn verfeinerte Meßmethoden oder andere neue Erkenntnisse Emmissionstatbestände begründen. Eine langfristige Unternehmensplanung läßt sich unter diesen Bedingungen nur schwer realisieren, wenn man nicht von Anfang an auf eine umweltkritische Produktion verzichtet.
· Rasche Entwicklungen im Bereich der Wissenschaft und der Forschung können insbesondere im Umweltsektor schnell zu irreversiblen Wettbewerbsnachteilen führen. Will das Unternehmen nicht auf diesen (wachsenden) Markt verzichten, so wird es auf Follower-Strategien angewiesen sein, die bekanntermaßen am Standort Deutschland durch die Kostensituation schwer zu realisieren sind.
· Folgt man ferner den Erkenntnissen der konsumorientierten Ethnologie, so zeichnet sich eine Zunahme der "moralischen Macht" beim Verbraucher ab, die sich mangels eigener Entfaltungsmöglichkeit als ethische und ökologische Correctness gegenüber den Unternehmen manifestiert, bzw. sich auf sie projiziert. Es wird also im Hinblick auf ökologische Forderungen an die Wirtschaft zu einer Art "Reökologisierung" kommen, die Unternehmen mit Produkten, die in Anlehnung an HORX lediglich einer "Placebo-Ökologie" gerecht werden, zum Marktaustritt zwingen wird.
Die Grundforderung der konzeptionellen Erweiterung, daß ökonomische und ökologische Ziele gleichrangig zu bewerten sind, ist also sowohl ethisch und moralisch notwendig, als auch betriebswirtschaftlich sinnvoll.
Um so erstaunlicher sind hingegen die Zielhierarchien der Unternehmen in der Praxis. Nach Meinung von RAFFÉE offenbaren sich hier immense Schwachstellen in den Konzeptionen, da ökologischen Zielen oft nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen wird. Nachfolgende Abbildung (Abb. 23) zeigt die Ergebnisse der jüngsten empirischen Forschungen, die sich mit ökologischen Zielsetzungen auseinandergesetzt haben. Die Nummern geben hier jeweils die entsprechende Rangordnung wieder, die das Unternehmen (bzw. die Führungskräfte) diesem Ziel zumißt, das Symbol "â " soll den Abstand des Primärzieles zu dem erstgenannten, ökologischen Ziel darstellen. Die Ursache für die zum Teil stark divergierenden Ergebnisse liegt in den unterschiedlichen Stichproben (und -umfängen) begründet. Ferner selektierten einige Autoren die Unternehmen nach ihrer "ökologischen Betroffenheit", d.h. es wurden bevorzugt Betriebe untersucht, die stärker als der Durchschnitt von der Gesetzgebung und der Öffentlichkeit, im Hinblick auf die Ökologie, unter Druck stehen.
Abb. 23: Inhalte und Rangordnung der Ziele dt. Industrieunternehmen
Raffée/ Förster/ Krupp 1988 |
Meffert/ Kirchgeorg 1989 |
Raffée/ Fritz 1990 |
1. Wettbewerbsfähigkeit 2. Qualität des Angebots 3. Sicherung des Unternehmens- bestandes â 10. Schonung natürlicher Ressourcen und umwelt- freundliche Produkte |
1. Sicherung der Wettbewerbs- fähigkeit 2. Langfristige Gewinnerzielung 3. Produktivitätssteigerung â 8. Umweltschutz |
1. Kundenzufriedenheit 2. Sicherung des Unternehmens- bestandes 3. Wettbewerbsfähigkeit â 19. Umweltschutz und soziale Verantwortung |
Quelle: eigener Entwurf modifiziert nach Raffée et al. (1992), S. 244
Man erkennt eindrücklich, daß ökologische Zielsetzungen eine mehr oder minder stark untergeordnete Rolle einnehmen. Offensichtlich wird -überspitzt ausgedrückt- in den Führungsetagen vagen und zum Teil polemischen Prognosen von Trendforschern oder ultra-konservativen Wirtschaftsjournalisten mehr Beachtung geschenkt, als der wissenschaftlichen Zielforschung. Ein positives Gegenbeispiel findet sich bei der "Schweizerischen Vereinigung für ökologisch bewußte Unternehmensführung", die in ihrem "Ö.B.U.-Leitbild" Ökologie und Ökonomie als gleichgewichtige Elemente in ihrem Zielsystem anerkennen.
Im Hinblick auf die Steuerungs-, Kontroll- und Koordinationsfunktionen von Zielen muß der Umweltschutz als ein vorrangiges Unternehmensziel kategorisiert werden. Fehlt eine derartige Festlegung der Zielinhalte, werden alle ökologieunterstützenden Instrumente ad absurdum geführt (z.B. das integrierte Umweltmanagementsystem) und das Umweltschutzziel kann seine "sozio-emotionale" Funktion als Bekenntnis der Führungskräfte und als Identifikationsbasis für ein entsprechendes Betriebsklima nicht erfüllen. Auch im Hinblick auf das Zielobjekt, d.h. der inhaltlichen Konkretisierung auf das individuelle Verarbeitungssystem, muß eine Verankerung stattfinden. Mit diesen Ausführen ist die Brücke zu der strategischen Ebene geschlagen, die nun nachfolgend dargestellt werden soll.
3.2. Strategieebene
Die Strategie als Kern der konzeptionellen Erweiterung soll in Anlehnung an BECKER als dauerhafte Spezifizierung des Entscheidungsfeldes für den Einsatz der Marketinginstrumente definiert werden. Im Rahmen dieser Arbeit soll zwischen drei Strategiedimensionen unterschieden werden, wobei neben der zwingend notwendigen, (jedoch nicht produktbezogenen) Zielgruppenabgrenzung (x-Achse) zwischen dem Strategieverständnis (z-Achse) und den Funktionen der Strategie (y-Achse) differenziert wird. Nachfolgende Abbildung soll dies in Form eines strategischen Würfels verdeutlichen.
Abb. 24: Strategiewürfel der konzeptionellen Erweiterung
Quelle: eigener Entwurf
Ausgehend vom Nullpunkt soll über den in der Realität oft anzutreffenden Strategiewürfel W(r) mittels der Kombination aus allen (voneinander abhängigen bzw. sich gegenseitig determinierenden) Dimensionen der Ideal-Strategiewürfel W(i) angestrebt werden; die Pfeile symbolisieren hierbei die strategischen Hauptstoß-richtungen. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf die y-Achse gerichtet werden, da sie die verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse über das ökologisch divergierende Käuferverhalten subsumiert und damit das Herzstück der konzeptionellen Erweiterung darstellt. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an dieser Mehrdimensionalität.
3.2.1. Zielgruppenabgrenzung
Wie die Ausführungen im ersten Hauptabschnitt gezeigt haben, erscheint es sinnvoll, eine allgemeine, nicht produktgebundene Segmentierung an den individuellen Verarbeitungsmechanismen festzumachen, die die ökologischen Barrieren und die externen Einflußparameter, in einen Alltagskontext eingebettet, berücksichtigen. Diese Mechanismen, die sich letztlich in komplexen Haltungen (Muster) manifestieren, sind insbesondere dafür von Bedeutung, wie der Konsument auf die ökologische Problematik und dahingerichtete unternehmerische Aktivitäten reagieren wird. Hierbei wird unmittelbar deutlich, daß eine derartige Segmentierung nicht den Anforderungen an eine übliche, marktgerichtete Zielgruppenbestimmung gerecht werden kann (Abgrenzbarkeit, Quantifizierbarkeit, etc.), jedoch in der Lage ist, ähnlich dem Life-Style-Konzept, Hinweise auf die möglichen kaufverhaltens-wirksamen Einflüsse unternehmerischökologischer Anstrengungen zu liefern.
Der Autor unterscheidet hierbei idealtypische, sozio-kulturelle Orientierungsmuster, die sich an sozialen Milieus orientieren und die bisherigen Ausführungen über die individuellen Verarbeitungsmechanismen hinsichtlich sozialer Gruppen kategorisieren. Prinzipiell kann man in diesem Zusammenhang davon ausgehen, daß in jedem Typ alle Schichten und Altersstufen vertreten sind, wobei sich bei manchen Typen bestimmte Schwerpunkte ausmachen lassen. Die Bezeichnung "Öko-Typ" soll dabei kein Werturteil implizieren, sondern ein Hinweis auf die gemeinsamen Nenner der Gruppe geben.
Nachfolgend werden vier sozio-kulturelle Orientierungsmuster (grob) differenziert:
a) Extensiver Öko-Typ
b) Pflichtbewußter Öko-Typ
c) Indifferenter Öko-Typ
d) Unreflektierter Öko-Typ
ad a) Extensiver Öko-Typ
In diesem Muster sieht das Individuum in der ökologischen Umorientierung ein "persönliches Entwicklungsprojekt", daß durch innere Werte, wie Sinnfindung, individuelle Entfaltung, Qualität vor Quantität und mehr Naturnähe gekennzeichnet ist. Die Perspektive der persönlichen Entwicklung knüpft an die Vorstellung von einer "besseren Welt" im Einklang mit der Natur und einer weniger materialistischen Gesellschaft. Soziales Ansehen oder tradierte Normen spielen eine untergeordnete Rolle, vielmehr wird das Umweltbewußtsein als Projektionsfläche eines besseren Lebensstils benützt. Durch das Grundelement der moralischen Verantwortung gegenüber der Umwelt gehört dieser Öko-Typ eher zur Gruppe der Intern-Kontrollierten, die ihrerseits tendenziell im modernisierten, alternativ-hedonistischen Milieu angesiedelt sind. Nach MONHEMIUS ist das die Gruppe der extensiv ökologie-orientierten Käufer, die -aus einem umfassenden Verarbeitungsprozeß heraus- überwiegend oder ausschließlich ökologisch sinnvolle Produkte kaufen. Dreh- und Angelpunkt der unternehmerischen Aktivitäten ist in diesem Muster die Glaubwürdigkeit. Durch ihr umfassendes Wissen und der aktiven Bereitschaft zur bewußten Lebensgestaltung führt in dieser (relativ kleinen) Gruppe bereits ein Verdacht auf Vertrauensverlust zum Produkt- bzw. Herstellerwechsel.
ad b) Plichtbewußter Öko-Typ
Dieses idealtypische Muster zeigt sich in der Wahrnehmung von umweltbewußtem Verhalten als Bürgerpflicht und ist mit den zentralen Prinzipien der normativen Verpflichtung und gesellschaftlichen Korrektheit verbunden. Die partiell hohe Handlungsbereitschaft wird jedoch von einer ausgeprägten Außenorientierung determiniert (Extern-Kontrollierte), weshalb die Freiwilligkeit nicht mit radikalen Umwälzungen oder größeren Einschränkungen im Konsum einhergehen darf. Die zentralen Werte sind in diesem Muster eine kollektiv gefaßte Moral (Ökolozismus) und ein ausgeprägtes (Umwelt-)Gewissen. Auch das Phänomen des Commons-Dilemma ist in dieser Gruppe am größten, sowie ökologische Alltagspraktiken, die zwar umweltverträglich, jedoch nicht ökologisch motiviert sind (z.B. durch das Motiv "Sparsamkeit"). Diesen Öko-Typ kann man eher zur Gruppe der habitualisiert ökologischen Käufer rechnen, d.h. ist ein ökologisches "Mainstream-Produkt" einmal gewählt worden, bleibt es sehr zeitstabil im Relevant Set. Eine milieuspezifische Zuordnung ist in diesem Reaktionsmuster nicht möglich. Das Hauptaugenmerk ist bei dieser Gruppe, von seitens des Unternehmens, auf eine breite, wissensbasierende Aufklärung zu legen.
ad c) Indifferenter Öko-Typ
Die nächste Gruppe ist durch Deutungsfiguren bestimmt, in deren Rahmen die Umweltproblematik einen normalen Bestandteil der wahrgenommenen gesellschaftlichen Realität darstellt, d.h. die Gruppe des indifferenten Öko-Typs zeichnet sich durch die Kombination von explizitem Wissen, versuchter Nichtbetroffenheit und ausgeprägter Verhaltensdelegation aus. Vereinzelt, und auf bestimmte Bereiche beschränkt, werden zwar umweltfreundliche Verhaltensweisen praktiziert, ansonsten werden Tätigkeiten jedoch als relativ sinnlos (Extern-Kontrollierte) angesehen und die Verantwortung für das ökologische Dilemma auf Institutionen oder auf das System abgewälzt. Eine Bewertung oder Verarbeitung findet nicht statt (plakativ zugespitzt nach dem Motto: "Keine Lust auf Frust!") oder nur unter den im ersten Hauptabschnitt dargestellten Bedingungsbarrieren. Diese Gruppe läßt sich mit aller gebotenen Vorsicht mehrheitlich dem hedonistischen, aufstiegsorientiert-liberalen Milieu zuordnen, und stellt die größte Grundgesamtheit. Nach empirischen Untersuchungen von MONHEMIUS werden die Mitglieder dieser Gruppe auch als Divergenztypen bezeichnet, die von psychischen Störfaktoren, externen Einfluß-parametern und Verhaltensbarrieren am stärksten determiniert werden. Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit muß hier eine um verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse erweiterte, wertorientierte Wandel- und Förderstrategie sein, die weiter unten in Abschnitt 3.2.3. ausführlich dargestellt wird.
ad d) Unreflektierter Öko-Typ
Ein eher klassisches Muster zeigt sich im unreflektierten (Anti-)Öko-Typ, der die Umweltproblematik negiert oder weitestgehend entdramatisiert, weshalb eine Notwendigkeit zur Verhaltensänderung in der Regel nicht gesehen wird. Typische Elemente sind hier ideologische Abgrenzungen, technologische Allmachtsphantasien und mehr oder minder stark ausgeprägte Abwehrmechanismen. Überdies wird hier die ökologische Umorientierung als Bedrohung der gegebenen Ordnung und als Gefährdung des Erreichten stilisiert (Besitzstandsdenken). Dieses "Weiter-so-Muster" zeigt sich überwiegend in den traditionellen Fraktionen des kleinbürgerlichen und auch konservativ-gehobenen Milieus. Ökologischer Konsum findet in diesem Segment nicht oder nur unbewußt-zufällig statt. Das Unternehmen kann auch in diesem Muster nur mit wertorientierten Instrumenten eine Änderung herbeiführen, wobei zusätzlich preispolitische und andere Instrumente eingesetzt werden müssen, um eine Druckpolitik zu realisieren, die den Konsumenten sanktioniert.
Bei dieser Betrachtung wird klar, daß bisherige ökologische Strategieansätze, insbesondere im ökologischen Marketing, einerseits nur die extensiven und pflichtbewußten Käufer optimal ansprechen konnten, d.h. nur Bevölkerungsgruppen, die aus unterschiedlichen Gründen bereits ökologisch prädisponiert waren. Andererseits wurde vorhandenes Bewußtsein oft nur genutzt, um das Unternehmensimage "aufzupolieren". Die konzeptionelle Erweiterung will und muß dieses Spektrum auf der x-Achse zumindest auf die indifferenten Käufertypen ausdehnen, wenn der langfristige Unternehmenserhalt gesichert werden soll. Dafür ist jedoch auch ein bestimmtes Strategieverständnis vonnöten.
3.2.2. Strategieverständnis
In Anlehnung an SCHÖNBORN läßt sich das Strategieverständnis im Hinblick auf die ökologische Betroffenheit und dem unternehmerischen Leitbild in Kategorien differenzieren, die sich, wenn man individuell verhaltenswissenschaftliche Analogien mitberücksichtigt, wie in nachstehender Abbildung darstellen lassen.
Abb. 25: Optionen des ökologischen Strategieverständnisses
Strategieverständnis |
Kurzcharakteristika |
ignorierende Strategie (=Nullpunkt in Abb.24) |
Unternehmen ohne Bekenntnis zum Umweltschutz, lediglich Anpassung an gesetzliche Mindestanforderungen mit Versuch, diese -wenn möglich- zu umgehen oder zu verhindern. |
defensive Strategie |
Unternehmen ohne Betroffenheitsbewußtsein bezüglich Ökologie, reagieren erst, wenn es zu Umsatzeinbrüchen, Imageverlusten etc. (Krisen) gekommen ist. Ökologische Orientierung oft nur kommunikatives Zugeständnis. |
reaktive Strategie |
Unternehmen ist bemüht, umweltorientierte Risiken zu minimieren. Neue Potentiale werden nur aufgrund äußeren Drucks genutzt, ansonsten "klassischer Anwender" von End-of-Pipe-Technologien, die nicht auffallen wollen ("Graue-Maus-Syndrom") |
innovative Strategie |
Unternehmen nimmt mit echten Innovationen eine Vorreiterrolle ein, "übererfüllt" durch gezielte Profilierung gesetzliche Auflagen, kann sich optimal vom Wettbewerb differenzieren, läuft jedoch Gefahr, langfristige Potentiale nicht nutzen zu können (beschränkter Öko-Markt!). |
proaktive Strategie |
Unternehmen adaptiert die innovative Strategie, sieht Umweltschutz jedoch nicht als Zusatznutzen, sondern betrachtet ökologisches Wirtschaften als ganzheitliche, unternehmerische Zwecksetzung. Mit "dialogischer Offenheit" und Glaubwürdigkeit als tragende Säulen wird dem Konsumenten zielgerichtet geholfen, ökologische Barrieren zu überwinden. |
Quelle: eigener Entwurf
Das proaktive Strategieverständnis geht demnach weit über die bloße Verankerung des Umweltschutzgedankens im Zielsystem einer Unternehmung hinaus. Es umfaßt insbesondere das klare Bekenntnis zur Manipulation des Konsumenten, um eine ökologische Verhaltensänderung herbeizuführen. D.h. einerseits will das Unternehmen seiner gesellschaftlichen Verantwortung (Verantwortungsdilemma) gerecht werden, andererseits will es aber auch seine Machtposition innerhalb des Marktes nutzen, um durch eine Ausweitung auf den indifferent-ökologischen Käufer seine langfristige Unternehmenssicherung voranzutreiben.
Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es legitim ist, eine Verhaltenssteuerung anzustreben, die dem Betroffenen in der Regel nicht bewußt ist. Der Autor betrachtet die gezielte Beeinflussung als gerechtfertigt, da die "Selbstzerstörung unserer Welt" ein derart großes Ausmaß erreicht hat, daß diese Ziel-Mittel-Beziehung als zwingend notwendig erachtet wird! Der Vorwurf an das Marketing als "Manipulierer" greift insofern zu kurz: Versteht man Manipulation nämlich als Steuerung fremden Bewußtseins, "... und zwar meist zu Zwecken, die im Interesse der Manipulierenden liegen", so ist dieser Ansatz insofern falsch, da im Schutz aller natürlichen Ressourcen der utilitaristische Gedanke des größtmöglichen Nutzens für alle steckt. D.h. die Intension rechtfertigt im Zweifelsfalle selbst sublimare Beeinflussungstechniken, die helfen, nicht das Produkt zu verkaufen, welches ohne Rücksicht auf die Natur gewünscht wird, sondern diejenige Alternative fördert, die im Hinblick auf die ökologische Problematik nottut! Ferner weist auch KROEBER-RIEL darauf hin, daß man sich von der Fiktion der Konsumenten-souveränität lösen und sich zum sinnvoll gesteuerten Beeinflussungspotential bekennen solle. Will der Leser dieser Argumentation nicht folgen, so möge er sich vor Augen halten, daß bereits die gegenwärtigen Situationsgestaltungen ein derart hohes Maß an determinierenden Einfluß auf das Konsumentenverhalten ausübt, daß sich viele Verbraucher sogar zum umweltschädigenden Verhalten genötigt sehen. D.h. nicht die Manipulation an sich, sondern lediglich die Ausrichtung selbiger soll modifiziert werden.
Die letzte Dimension soll nun die Frage nach dem "Wie" beantworten, d.h. mit welcher Strategie -unter Berücksichtigung eines proaktiven Strategieverständnisses- kann ein möglichst breites Spektrum von Zielgruppen (x-Achse) dazu bewegt werden, ökologisch sinnvolle Produkte zu kaufen, sie nutzungsbestimmt zu ver-wenden und ordnungsgemäß zu entsorgen? Es stellt sich also die Frage nach den Strategiefunktionen.
3.2.3. Strategiefunktion
Auf der Wissensgrundlage über die psychologischen Grenzen im Umgang mit umweltbezogenen Inhalten können im Rahmen marktgerichteter, unternehmerischer Aktivitäten Überlegungen zu ihrer Veränderung angestellt werden. Bevor auf die einzelnen Ausprägungen der Strategiefunktion eingegangen wird, soll der zentrale Kerngedanke der konzeptionellen Erweiterung, d.h. die Aufgabe der Strategiefunktion in Form eines Leitgedankens dargestellt werden:
Die Funktion der strategischen Ebene innerhalb der konzeptionellen Erweiterung ist die Entwicklung einer individuell ausgerichteten, ökologisch-psychologischen Förderstrategie, die durch ihren ganzheitlichen und vernetzten Ansatz ein Interventionsprogramm zur Überwindung ökologischer Kaufbarrieren bildet und unter Berücksichtigung aller technischen Möglichkeiten und unternehmensspezifischen Zielsetzungen die soziale Diffusion eines ökologisch sinnvollen, gesellschaftlichen Wertewandels erlaubt.
Diese Funktionsauffassung der Strategie knüpft an eine Veränderung des gesellschaftlichen Gesamtbewußtseins durch einen tiefgreifenden, ökologischen Wertewandel. Dabei wird davon ausgegangen, daß das Unternehmen, aufgrund der bereits dargelegten Verantwortungs- und Machtsituation und durch die negativen Erfahrungen in der Umwelterziehung, diesen Wertewandel nachhaltig prägen kann. FIETKAU spricht in diesem Zusammenhang von einem gesellschaftlichen "Umweltlern-Prozeß", der sich auf alle kognitiven, emotionalen und aktionalen Aspekte des Menschen bezieht: "Umweltlernen ist ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand." Neben der Vermittlung von Wissen bedingt umweltbewußtes Verhalten also auch entsprechende Verhaltensangebote durch das Unternehmen (attraktive Handlungsanreize) und eine Reihe anderer positiver Verstärker, die vor dem Hintergrund der bereits dargelegten Einflußparameter und ökologischer Barrieren gesehen werden müssen. Aus der Fülle möglicher Aktionsparameter, die sich aus der psychologisch-verhaltenswissenschaftliche Betrachtung im ersten Hauptabschnitt ergeben haben, werden nun im Hinblick auf die unternehmerische Zielsetzung die Wichtigsten herausgegriffen und erläutert. Überschneidungen mit der Instrumentalebene werden hierbei bewußt in Kauf genommen, um den Strategieansatz der konzeptionellen Erweiterung besser veranschaulichen zu können. Der Aufbau erfolgt, analog zu der Vorgehensweise im Abschnitt über den umweltpsychologischen Erklärungsansatz, durch eine Vierteilung in die Ebenen Wahrnehmung, Bewertung, Verarbeitung und Handlung, anhand derer die betrieblichen Einfluß-möglicheiten dargestellt werden.
3.2.3.1. Strategieparameter Wahrnehmung
Der Stellenwert der Wahrnehmung für die ökologische Frage ergibt sich aus dem Umstand, daß eine möglichst exakte und umfassende Wahrnehmung zwingend notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit ökologischen Zusammenhängen ist. Das Unternehmen kann auf dieser Ebene die sensorische Begrenztheit zwar nicht beeinflussen, jedoch eine Vielzahl von Wahrnehmungserschwernissen durch die bewußte Gestaltung von Umweltbedingungen abbauen. Dazu gehören in erster Linie
· die Optimierung von apparativen Wahrnehmungshilfen im Bereich der Produkt- und Verpackungsgestaltung, die den jeweiligen Ressourcen- und Energie-verbrauch unmittelbar beim Kauf oder der Nutzung in analoger Form kommunizieren können. Dabei müssen abstrakte Maßzahlen in alltägliche Vergleichsgrößen transformiert und der direkte Feedback-Prozeß durch entsprechende Antizipationshilfen (einfache Warn- und Hinweissymbole) unterstützt werden, um Orientierungsreflexe auslösen zu können. Zu diesen situativen Wahrnehmungshilfen zählen auch architektonische Maßnahmen sowohl beim Kunden (Ladengestaltung), als auch bei den eigenen Mitarbeitern, die gesundheitliche Aspekte mit der Feldtheorie und den Erkenntnissen der Werbe- und Arbeitspsychologie verknüpfen.
· die Steigerung der individuellen perzeptiven Wahrnehmungskapazitäten durch gezielte Aufmerksamkeitslenkung bei der Produktgestaltung und -verpackung, insbesondere durch natürliche Materialien, die durch Variationen sensorische Reizveränderungen auslösen können.
· die aktive Auseinandersetzung mit den Medien, insbesondere mit dem Leitmedium Fernsehen. Das Unternehmen muß das Agenda Setting bild-orientiert aktiv mitgestalten, um kohärente und reale Inhalte kommunizieren zu können, mit dem Ziel, medienspezifische Mechanismen bei der Wahrnehmung durch den Konsumenten zu neutralisieren. Damit ist insbesondere auch der Verzicht auf "Heile-Welt-Szenarien" in der Kommunikation gemeint, welche dem Konsumenten bisher eine emotionale Rückzugsmöglichkeit aus der realen Welt boten.
· die Schaffung von alternativen Kommunikationskanälen, die ökologische Problemstellungen anschaulicher, d.h. beispielsweise weniger ereignisbezogen wahrnehmbar machen können oder die Kreation von Symbolgestalten in den elektronischen Bilderwelten, die als "Botschafter zwischen den Welten" einen ökologischen Kodex kommunizieren.
Bei diesen Maßnahmen ist stets zu berücksichtigen, daß das Ausmaß der Konfrontation mit zusätzlichen ökologischen Problemen bei der Wahrnehmungserweiterungen sorgfältig und stufenweise vorgenommen wird und durch gezielte Ablenkungsinstrumente bereichert werden sollte, um Reaktanz- und Abwehrmechanismen zu vermeiden.
3.2.3.2. Strategieparameter Bewertung
Eine erfolgreiche öko-psychologische Förderstrategie muß neben den eher situativen Wahrnehmungsbarrieren vor allem die personalen Bewertungsaspekte mitberücksichtigen, d.h. eine Steigerung der personalen Bewertungsbefähigung erreichen. Dabei liegt auf der Hand, daß alle gestalterischen Mittel der Wahrnehmungsförderung gleichzeitig bewertungserleichternde Instrumente darstellen. Insbesondere das Gestaltungsmittel des Feedback kann durch seine rückkoppelnden Informationen eine situative Bewertung erleichtern, sofern es sich um bedeutungsvolle Inhalte handelt. Eine ganzheitliche Förderung der "Bewertungsetappe" im Verarbeitungsprozeß macht neben der Verbesserung dieser situativen Vorgaben vor allem aber die Entwicklung der personalen Bewertungsvoraussetzungen erforderlich. Mögliche Ansatzpunkte ergeben sich in
a) der Erhöhung des sinnlichdirekten Erfahrungseindruckes
b) der Schärfung des Wissens über die Umwelt
c) der Förderung des Wertewandels hin zu einer ökologische Ethik.
ad a) Der "erfahrungsverdünnten" und verzerrten Perzeption durch indirekte Wahrnehmung via Medien und dergleichen muß das Unternehmen eine reale Erfahrungsdimension entgegensetzten. Die situative Bewertbarkeit wächst nämlich mit dem Grad ihrer persönlichen Erfahrbarkeit! Dieser Strategieansatz ist insbesondere für das imagestützende Event-Marketing von besonderer Bedeutung. Die Erhöhung der persönlichen Erfahrungsdimensionen mit ökologischen Problem- und Erlebnisfeldern hat Auswirkungen auf die Einstellungsebene (sofern alle Aspekte des dreidimensionalen Konstruktes angesprochen werden) und auf das persönliche Involvementgefüge sowie natürlich auch auf die ökologische Wissensbasis.
ad b) Die Verbesserung des Umweltwissens bewegt sich auf zwei Ebenen. Einerseits verlangt die inhaltlich-sachliche Ebene eine fundierte Verbreiterung, andererseits muß das Unternehmen die Verknüpfung zwischen dieser Sachkenntnis und der alltagsspezifischen Anwendung gewährleisten. D.h. nach Auswertung entsprechender Marktforschungsanalysen und Kundenbefragungen muß dort, wo nur sehr allgemeines und diffuses Wissen über die Umweltproblematik existiert, die kognitive Basis ausgebaut werden (Neutralisation von Ambivalenzkonflikten), und dort, wo es durch detaillierte und präzise Kenntnisse imponiert, mit konkretem, persönlichem Alltagsverhalten in Verbindung gebracht werden. Dabei muß bei der wissensvermittelnden (externen) Kunden- und (internen) Mitarbeiter-Kommunikation darauf geachtet werden, daß
· keine Schuldzuweisungen erfolgen,
· auf belehrende, moralische Appelle an das Verantwortungsbewußtsein verzichtet wird,
· handlungsorientiertes Wissen von den Vorgesetzten auch "gelebt", d.h. als vorbildliches Verhalten nach außen auch demonstriert wird,
· jede Problemsituation mit überschaubaren Lösungsskizzen (Vorschläge mit hoher Prognosekompetenz) vorgestellt wird, bzw. die Folgen von (objektorientierter) ökologischer Untätigkeit aufgezeigt werden (Szenarien),
· das Wissen handlungsorientiert, interdisziplinär und mit seinen spezifischen Vernetzungen dargestellt wird, ohne den Rezipienten durch eine zu hohe Komplexität zu überfordern (Handlungsunsicherheiten) und
· Information stets produkt- bzw. unternehmensgebunden dargeboten wird, um den Alltagskontext zu wahren.
Das Unternehmen muß ferner dafür Sorge tragen, daß ökologisches Wissen einer Einbettung in einen alltagsbezogenen, kontinuierlichen Lernprozeß bedarf, d.h. Umweltwissen gehört nicht in Hochglanzbroschüren, die beispielsweise über die neuste Ökobilanz berichten, sondern -entsprechend den Erkenntnissen der Werbe-psychologie- auf jede Verpackung und in jede Betriebsanleitung! Darüber hinaus kann das Unternehmen mit Hilfe von attraktiven Identifikationsfiguren (Testimonials) in kompakten, eingängigen und aufeinander aufbauenden Spots die Transformation von Wissen in Handlungen mit dem Kunden "einüben".
ad c) Eng verknüpft mit dem Sachwissen (Verfügungswissen) ist das Orientierungswissen, welches sittliche, moralische und ethische Maßstäbe für konkrete Handlungs- und Entscheidungssituationen liefert. In Bezug auf die ökologische Problematik muß das Unternehmen das Orientierungswissen kräftigen, d.h. das Unternehmen muß das anthropozentrische Paradigma überwinden, indem es der Natur einen expliziten Wert zuweist und die technische Machbarkeitsillusion zugunsten einer Sichtweise aufgibt, die alle möglichen Folgen additiver Technologien berücksichtigt (Technologie-Folgenabschätzung).
Orientierungswissen manifestiert sich insbesondere in der individuellen Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Umwelt. Diese Verantwortung bedarf einer nachhaltigen Förderung. Aus Sicht des Unternehmens kann dies dadurch erreicht werden, daß man den Konsumenten
· durch die Entsorgung des Produktes nicht aus seiner Verpflichtung zu einem verantwortungsbewußten Umgang mit natürlichen Ressourcen entläßt,
· ihn im Sinne des Prosumerismus bei der Produktentwicklung "ins Boot nimmt" und dabei
· "ich-bezogene" Werte in "wir-orientierte" Werte einbettet (Verringerung von ambivalenten Motivschwankungen) und/ oder
· ihn in Initiativen und Bürgervereinen mit dem unternehmerischen Know-how unterstützt.
Dabei muß das Unternehmen die Kreativität fördern und Spielräume für die individuelle Selbstentfaltung schaffen, sowie dem Konsumenten dabei helfen, seine strukturelle Gebundenheit (Raum und Zeit) und die festgefahrenen Denkschablonen zu überwinden. FIETKAU nennt diese Vorgehensweise die Schaffung von Handlungsspielräumen für die zukünftig notwendige "Experimentiergesellschaft". Durch die Einsicht in die prinzipielle Irreversibilität menschlicher Eingriffe und durch prompte unternehmensseitige Rückkoppelungen (Maßnahmen-Evaluation) kann so ein realitätsgerechteres Selbstbild im Kopf des Konsumenten erzeugt werden, daß nachhaltige Auswirkungen (Stärkung) auf die wahrgenommene Eigenverantwortung haben wird. Diese wird wiederum einem postmaterialistischen Wertewandel und einer nachhaltigen ökologischen Ethik Vorschub leisten. Dabei ist nicht nur auf Kunden und potentielle Kunden, sondern im Hinblick auf die Imagewirkung und dem starken personaldirekten Beeinflussungspotential der Kommunikation durch soziale Interaktionspartner (Familie, Freundeskreis, etc.), auch auf andere soziale (betriebswirtschaftlich uninteressante) Gruppen abzustellen.
3.2.3.3. Strategieparameter Verarbeitung
Gestalterische Bewertungsvorgaben und ausgeprägtes, handlungsorientiertes Umweltwissen lösen natürlich auch Gefühlsreaktionen beim Individuum aus. Die Förderung der Bewertbarkeit beinhaltet deshalb stets auch eine Förderung der emotionalen Betroffenheit. Die Kombination aus kognitiven Elementen und emotionalen Hintergründen kann hierbei schnell zu der besagten "Erlebniskatastrophe" führen, d.h. zum Auslösen von Abwehrmechanismen. Dem kann das Unternehmen -wie bereits dargestellt- dadurch begegnen, daß es jedem Aktionsparameter konkrete Handlungsangebote zur Seite stellt. Dies wird jedoch nicht immer möglich sein.
Es ist deshalb notwendig, die -bereits aus der östlichen Philosophie des Taoismus bekannte- Theorie des Ungleichgewichts in der hemisphärischen Verarbeitung zu berücksichtigen. In seiner ökopsychologischen Interpretation ergibt dieses Theorem die Notwendigkeit für das Unternehmen, jegliche Art von Kommunikation in ein emotionales Bezugsfeld einzubetten, soll die damit transportierte Botschaft (z.B. Wissen) nicht wirkungslos verpuffen bzw. von den Abwehrmechanismen neutralisiert werden. So stellte KROEBER-RIEL fest, daß in der Werbung die bloße rationale, trockene Einsicht letztlich ohne Wirkung bleibt, wenn der "emotionale Anker" fehlt oder der emotionale Zusatznutzen (der mit der originären Produktfunktionalität meist nichts zu tun hat) mit negativen Attributen belegt ist. Die dem Autor vorliegende Literatur zeigt jedoch, daß gerade der Begriff Ökologie mit negativen Attributen belegt ist, wie beispielsweise mit Verzicht, Opfer, Schuld oder Kosten.
Die engen Grenzen der reinen Wissensvermittlung zeigen sich auch bei einem Vergleich mit dem Zigarettenrauchen. Warnhinweise, seien sie visuell noch so fulminant auf der Packung in Szene gesetzt, werden durch kognitive Dissonanzen so lange umgewichtet, bis sie dem Individuum unbedeutend erscheinen. Ferner führt HANSEN das empirisch belegbare Mehrbedürfnis nach Emotionalität breiter Bevölkerungsschichten in nahezu allen Lebensbereichen darauf zurück, daß die institutionelle Wissensvermittlung die kognitiven Aspekte überbetont.
Um auf der Verarbeitungsebene die aus einem tiefen Angstgefühl resultierenden Abwehrmechanismen nicht wirksam werden zu lassen, muß das Unternehmen
· Produkte herstellen und vertreiben, die nicht bloß "grün angemalt" sind, sondern auch in ihrem Grundnutzen eine ökologische Funktionalität beherbergen. D.h. die Produktpolitik darf nicht eine halbherzige Antwort auf ohnehin nicht mehr zu stoppende Entwicklungen sein, sondern muß in jeglicher Hinsicht einer kritischen Prüfung und dem Anspruch einer umfassenden Glaubwürdigkeit standhalten. Dazu gehört insbesondere auch das offene Eingeständnis von möglichen Produktrisiken bzw. Produktnachteilen, die durch die Berücksichtigung ökologischer Belange entstehen können.
· die (bisher übliche) Überbetonung der kognitiven Ebene vermeiden. Hierzu kann das Markenkonzept als Orientierungsentlastung (Information Chunk) und als Symbol für emotionale Bezugsfelder (zur Steigerung des reizabhängigen Involvements) genutzt werden.
· ein sinn- und freudestiftendes Emotionsbild von Ökologie entwerfen, das vom Konsumenten als Lebensstil interpretiert werden kann. Dieser Lebensstilentwurf muß dabei mit den Attributen Intelligenz, Effizienz und langfristiger Freiheit gekoppelt werden, um dem "Entsagungsmief", d.h. dem konservativem Puritanismus wirksam entgegenzutreten. Ferner muß diese Perspektive mit persönlichen Nutzenkategorien verbunden werden können.
· ein Klima schaffen, damit das Individuum lernt mit seiner Angst umzugehen und individuelle "Rettungsaktivitäten" entwickelt. Dies kann insbesondere auch durch die Kommunikationspolitik erreicht werden, die Rationalierungs- und Abwehrargumentationen vorwegnehmen bzw. aufgreifen und sowohl kognitiv als auch emotional "widerlegen" muß.
3.2.3.4. Strategieparameter Handlung
Die Erläuterungen zur Selbstwahrnehmungstheorie, zur Konsistenz- und EV-Hypo-these im ersten Hauptabschnitt machen deutlich, daß auch der Handlungsebene eine entscheidende Bedeutung für einen ökologischen Wertewandel und für den Abbau von individuellen "Öko-Barrieren" zukommt. Dies gilt insbesondere deshalb, da beispielsweise der Einkaufsvorgang als ein sich ständig wiederholender Prozeß die optimale Plattform für eine Initiierung eines dauerhaften und systematischen Lernprozesses darstellt. Kontinuierliche Maßnahmen können in dieser Ebene Verhaltensnormen tradierten und einer ökologischen Gewohnheitsbildung Vorschub leisten.
Das Hauptaugenmerk unternehmerischer Tätigkeit auf dieser Ebene muß deshalb in der Optimierung der antezendenten Kontextfaktoren liegen, um die Auftrittswahrscheinlichkeit umweltfreundlicher Alltagsgewohnheiten zu erhöhen. Hierzu zählt in erster Linie
· die Verbesserung der situativen Verfügbarkeit von Alternativen, d.h. das Unternehmen muß für eine umfassende Ubiquität ökologischer Produkte sorgen.
· die Schaffung von "Reizschwellen" und "Lustbetonern" in der PoP-Gestaltung, um habitualisierte Verhaltensroutinen zu durchbrechen und eine aufmerksamkeitsorientierte Bewußtmachung und Bewertungserleichterung in einer angenehmen Atmosphäre zu fördern. Hierbei muß die bereits angesprochene Produktmodifikation, hinsichtlich einer umfassenden und gut wahrnehmbaren Informationsdarbietung, um entsprechende Hinweisreize am Verkaufsort ergänzt werden, die die perzeptiven Anstrengungen des Konsumenten reduzieren können.
· die Optimierung von materiellen Handlungsanreizen durch entsprechende Preisgestaltungen, die ökologisches Verhalten ökonomisch belohnen und Motivkonflikte vermeiden (Appetenz-Appetenz-Konflikt).
· die Förderung ökologischen Verhaltens durch entsprechende Produkt-plazierungen am PoS, Facings sowie Entsorgungsmöglichkeiten, die umweltschädliche Verhaltensweisen und Produkte zweifelsfrei verhaltensunökonomischer machen.
· die Erzeugung einer positiven, sozialen Resonanz beim Kauf ökologischer Produkte durch das Verkaufspersonal (=Minimierung des sozialen Risikos). Ferner ist in diesem Zusammenhang an die Etablierung von Verhaltensverstärkern zu denken, die ökologisches Verhalten öffentlich und positiv sanktionieren und im Klima einer demonstrativen Vernunft ein soziales Prestige schaffen. KROEBER-RIEL weist darüber hinaus auf die Rolle des Vertriebes als "Normenvermittler" hin, der auch neue, ökologische Konsumnormen initiieren und prägen kann.
Um diese Aspekte realisieren zu können, muß der Hersteller das, insbesondere in der Konsumgüterindustrie noch anzutreffende, vertikale Machtgefälle nutzen oder im Rahmen kooperierender Ansätze eine entsprechende Lösung mit dem Handel erarbeiten. Ferner erscheint eine partielle Zusammenarbeit mit dem Wettbewerb, insbesondere für mittelständische Unternehmen, sinnvoll, um sich gegenüber dem "nicht-ökologischen" Wettbewerb differenzieren zu können. WIEDMANN schlägt sogar die Schaffung von unternehmensübergreifenden Informations(experten)-Systemen mit anderen ökologisch orientierten Unternehmen, Initiativen und öffentlichen Stellen (Kommunen, UBA) vor, um Ideen, neue Erkenntnisse und Gesetzesvorhaben bzw. -beschränkungen wettbewerbswirksam nutzen zu können. Als praktisches Beispiel sei hier der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewußtes Management (B.A.U.M.) genannt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, "... das integrierte System umweltorientierter Unternehmensführung durch Erfahrungsaustausch weiterzuentwickeln."
Mit der Verankerung des ausgeformten (reflektiven) Verhaltens durch operante Konditionierung im behavioralen Muster ergeben sich nachhaltige Rückkoppelungen auf die Bearbeitungs- und Bewertungsebenen. Implementierte Öko-Verhaltensgewohnheiten stellen ein Potential an Bewältigungsstrategien bereit und wirken dadurch entängstigend und motivierend, besonders im Hinblick auf die generations-spezifische Wertedynamik (Generation-X-Phänomen). Damit wird nicht nur die Neigung zur psychischen Abwehr verringert, sondern auch -gemäß den Erkenntnissen des dissonanztheoretischen Ansatzes- das Ausmaß an Umweltbewußtsein erweitert.
Verknüpft man alle diese isolierten Strategieansätze zu einem integrativen, auf die jeweilige Unternehmenssituation zugeschnittenen, Kombinationsbündel, daß spezifisch auf die einzelnen Zielgruppen abgestimmt ist, kann dieser Entwurf einer konzeptionellen Erweiterung durch die Nutzung von Synergieeffekten die Transformierung zu einer nachhaltigen Gesellschaft unterstützen. Dies gilt insbesondere auch für die Instrumente des Marketing-Mixes, die nachfolgend erläutert werden sollen.